Deutsche EM-Tickets nur für Fan-Club-Mitglieder erhältlich

Neuer Ärger aufgrund von EM-Tickets für den DFB: Jetzt droht sogar das Kartellamt dem Fussball-Bund aufgrund eines rechtswidrigen Kopplungsgeschäftes. Deutsche Fussballfans sind wegen teurer Ticketpreise empört. Das Vergabesystem ist keine Neuheit.

DFB droht Untersuchung durch das Kartellamt

Die Vergabe von Tickets für die Europameisterschaft in Frankreich 2016 bringt dem Deutschen Fussball-Bund (DFB) Ärger mit dem Bundeskartellamt ein. Nachdem bereits im November des letzten Jahres bekannt wurde, dass ausschliesslich Mitglieder des "Fan Club Nationalmannschaft" die Möglichkeit bekommen, sich um Tickets für das europäische Endrundenturnier in Frankreich zu bewerben, was im Allgemeinen auf Unverständnis und negative Reaktionen in Deutschlands Fussballöffentlichkeit gestossen war, kündigte das Bundeskartellamt nun eine Untersuchung an.

Hintergrund ist ein angebliches rechtswidriges Kopplungsgeschäft des DFB bei der Organisation der Ticketvergabe. Da nur Mitglieder des offiziellen Fan-Clubs der deutschen Nationalmannschaft Anspruch auf die Bewerbung für Tickets besitzen, ist die Mitgliedschaft eine unabdingbare Voraussetzung, um die Spiele der Europameisterschaft in den französischen Stadien live verfolgen zu können. Jedoch ist eine Mitgliedschaft selbst noch keine Garantie auf eine erfolgreiche Kartenbestellung. Überdies lässt sich der DFB das Engagement einiges kosten:

  • 10 Euro Anmeldegebühr werden allein für die Registrierung fällig
  • 30 Euro Jahresbeitrag muss jedes Mitglied leisten
  • Eine Garantie auf den Erhalt von Tickets wird nicht ausgesprochen, lediglich die Teilnahme an der Ticket-Verlosung ist gewährleistet
  • Angabe von privaten personenbezogenen Daten ist für die Mitgliedschaft Voraussetzung


Im Falle des Ticket-Gewinns liegt der günstigste Kartenpreis bei 25 Euro. Hinzu kommen Bearbeitungsgebühren sowie Versandkosten. Effektiv kostet ein Ticket somit mindestens 65 Euro. Dabei sind die Mitgliedsbeiträge unabhängig vom Erfolg bei der Ticketverlosung zu leisten. Zusätzlich ist das limitierte Ticket-Kontingent zu beachten: Lediglich für 50'000 Mitglieder im Fan-Club der Nationalmannschaft besteht eine - geringe - Erfolgschance bei der Auslosung.

Quelle: fussballinfos.ch

Wer sich in Deutschland trotz des undurchsichtigen Vergabeverfahrens um EM-Tickets bemüht, darf Frankreich von seiner schönen Seite kennenlernen. Dies gilt natürlich auch für Schweizer. Von Lille und Lens im Norden Frankreichs über Paris und Strassburg hin bis in den Süden nach Marseille, Nice und Toulouse: Die zwölf Stadien, in denen die Europameisterschaft ausgetragen wird, sind über ganz Frankreich verteilt. Die 36 Gruppenspiele der EM gibt es hier inklusive der Spieldestinationen einzusehen. Eine Reise ist jede dieser Städte wert, speziell wenn die Möglichkeit besteht, eine Partie der Europameisterschaft 2016 live vor Ort zu verfolgen.

Es bedarf einer gehörigen Portion Glück bei der internen Ticketvergabe. Noch deutlicher wird dieser Missstand bei der Betrachtung der Kartenkontingente für die einzelnen Spiele, die lediglich ca. 15 Prozent der eigentlichen Stadionkapazität umfassen. Bei den kleineren EM-Stadien bedeutet dies eine effektive Ticketzahl von 5'000 Karten pro Spiel. Angesichts der zahlreichen Bewerber ist dies für viele deutsche Fans eine frustrierende Aussicht, tatsächlich bei den EM-Spielen dabei sein zu können.

Deutsche Fussball-Öffentlichkeit empört - DFB dementiert

Die negativen Reaktionen in der Presse sowie bei fussballbegeisterten Fans liessen nicht lange auf sich warten und trafen auf gegenseitige Zustimmung. Dem DFB wird vorgeworfen, seine mächtige Stellung zur Anwerbung neuer Fan-Club-Mitglieder auszunutzen und das Interesse der Fans an dem sportlichen Grossereignis für eigene Zwecke zu missbrauchen.

Nebstdem hat sich nun auch das Bundeskartellamt eingeschaltet und erwägt die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens: „Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen prüft das Bundeskartellamt derzeit die Notwendigkeit rechtlicher Schritte in diesem Zusammenhang", wird die parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Iris Gleicke, aus einem Antwortschreiben an die Bundesregierung zitiert.

Der DFB veröffentlichte als Rechtfertigungsgrund für den diskussionswürdigen Modus der Ticketvergabe eine simple Stellungnahme durch den DFB-Sprecher Jens Grittner im Dezember 2015, in der es heisst: "Zum einen können wir so ausschliessen, dass unter den Bestellern welche mit Stadionverbot sind. Und zweitens wollen wir denjenigen, die ständig bei Auswärtsfahrten dabei sind und die Stimmung machen, eine Art Treuebonus zukommen lassen." Ein Kopplungsgeschäft sei indes nicht beabsichtigt. Es gehe "hier keineswegs um eine PR-Massnahme oder Akquise-Aktion für den Fan-Club. Das wäre schlichtweg eine unzutreffende Interpretation."

Dass die Überprüfung bei der Ticketvergabe auf Personen mit Stadionverbot auch ohne Fan-Club-Mitgliedschaft möglich ist, wird allerdings nicht zum Gegenstand der Diskussion gemacht. Auch der angesprochene Treuebonus kann durch die unmittelbare Beantragung einer Mitgliedschaft im "Fan Club Nationalmannschaft" kurzfristig umgangen werden. Die Belohnung der Loyalität zur Nationalmannschaft ist daher eher fragwürdig.

Kopplungsgeschäft nicht erste fragwürdige Massnahme eines Fussball-Bundes

Das vom DFB praktizierte Kopplungsgeschäft ist aber alles andere als ein neues Verfahren, um zusätzliche Mitglieder zu werben. Gleichermassen agierten bereits die Landesverbände von Wales, England, Belgien sowie des Gastgeberlandes der Europameisterschaft, Frankreich. Auch hier werden Tickets ausschliesslich an Mitglieder der Fan-Clubs der Nationalmannschaft ausgehändigt.

Das Ticketportal der UEFA lässt sich im Übrigen ohne korrekten Nachweis über eine Mitgliedschaft in einem Nationalmannschafts-Fan-Club nicht einmal aufrufen. Indes: Von den 24 Teilnehmern der Endrunde der Europameisterschaft behandeln viele Staaten die Ticketvergabe auch deutlich fairer. In den Ländern Polen, Rumänien und im Nachbarland Österreich hat jeder registrierte Staatsbürger die Möglichkeit, sich um Tickets für die Europameisterschaft zu bewerben. In den restlichen Teilnehmerländern haben neben den Staatsbürgern auch ausländische Einwohner die Option, Karten zu bestellen, solange der Wohnsitz im jeweiligen Land liegt. Dies gilt auch für die Schweiz. Für die anstehenden EM-Spiele der Schweizer Nati durfte sich jeder bewerben.

 


(Bildquelle: fussballinfos.ch) - Statistik: Knapp die Hälfte der EM-Tickets wurde bisher im freien Verkauf angeboten. 2016 gingen von insgesamt 2,5 Millionen Eintrittskarten sogar 1,8 Millionen in den freien Verkauf.

Die Sicherheit von Spielern und Fans bei der Europameisterschaft in Frankreich wird vordergründig zur Begründung des Systems der Ticketvergabe herangezogen. Ausschreitungen von Hooligans sind traurige Begleitzustände bei grossen Turnieren, sollen aber möglichst schon vor und während des Grossereignisses auf unvermeidbare Randerscheinungen eingedämmt werden.

"Gerade als deutscher Verband mit unserer Vorgeschichte und vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage würde man uns doch zu Recht vorwerfen, wenn wir beim Thema Sicherheit nicht alle Möglichkeiten, die wir haben, ausschöpfen würden", sagte DFB-Sprecher Jens Grittner: "Da stehen wir in der Verantwortung, und der Fan-Club bietet uns dafür gute Voraussetzungen."

 


(Bild: Deutsche Fans haben es schwer, zur EM 2016 in französische Stadien zu gelangen. Bildquelle: Oleksii Sidorov - 309390893 / Shutterstock.com)


Dabei wird auf die traurigen Erinnerungen an den von vier deutschen Hooligans ins Koma geprügelten Polizisten während eines Vorrundenspieles bei der Weltmeisterschaft im Jahre 1998 in Frankreich Bezug genommen. Sicherheitsbedenken sind ein Teil von Grossveranstaltungen, sei es aufgrund von Hooligans oder terroristischen Aktivitäten.

Die Terror-Anschläge vom 13. November des vergangenen Jahres in Paris während des Länderspiels Frankreich gegen Deutschland tragen obendrein zu einer erhöhten Wachsamkeit und Aufmerksamkeit bei, rechtfertigen allerdings kein Ticketvergabesystem, welches auf einem Kopplungsgeschäft beruht. Die bereits erprobte Methode, Tickets zu personalisieren, ist nicht neu und gewiss eine alternative Sicherheitsvariante, welche eine fairere Verteilung der limitierten und begehrten EM-Tickets ermöglichen würde.