Amnesty International: Katars leere Versprechungen vor der WM 2022

(Bildquelle: fussballinfos)

Im Mai 2014 hat die katarische Regierung im Hinblick auf die Fussballweltmeisterschaft 2022 mehr Rechte für ArbeitsmigrantInnen zugesagt. Ein Jahr später sind die Resultate ernüchternd, wie ein neuer Bericht von Amnesty International zeigt. Die FIFA scheut sich weiterhin, unmissverständlich auf die...

Amnesty International hat in dem Bericht "Promising little, delivering less: Qatar and migrant labour abuse ahead of the 2022 Football World Cup" untersucht, inwieweit die katarische Regierung ihre Reformversprechen eingelöst hat. Nach weltweiter Kritik an den Arbeitsbedingungen auf den Baustellen des Landes (unter anderem durch einen am 18. November 2013 publizierten Amnesty-Bericht) hatte das katarische Innenministerium am 14. Mai 2014 "weitreichende Reformen des Arbeitsmarktes" angekündigt.

Amnesty präsentierte daraufhin neun konkrete Reformvorschläge, darunter die Forderung, das umstrittene Sponsorengesetz (Kafala) abzuschaffen. Im Rahmen des Kafala-Systems üben die Arbeitgeber ("Sponsoren") nahezu völlige Kontrolle über ihre Beschäftigten aus und entscheiden auch darüber, ob sie sich in Katar aufhalten, ihren Arbeitsplatz wechseln oder das Land verlassen dürfen.

Auch ein Jahr später nur wenig Fortschritte

Nachdem eine erste Überprüfung der Umsetzung im November 2014 ernüchternd ausgefallen war, konnte Amnesty auch jetzt - ein Jahr nach den Reformversprechen - nur wenige Fortschritte feststellen: Ausländischen Arbeitskräften werden weiterhin grundlegende Rechte vorenthalten, das Kafala-System bleibt unangetastet und die Arbeitsbedingungen bleiben gefährlich. Allein 2014 kamen in Katar 441 nepalesische und indische ArbeitsmigrantInnen ums Leben. Wegen des Kafala-Systems konnten etliche GastarbeiterInnen aus Nepal nach dem schweren Erdbeben nicht in ihre Heimat zurückkehren.

Die mangelnde Umsetzung und das Fehlen einer konkreten Agenda lassen Zweifel aufkommen, ob die katarische Regierung wirklich an einer Verbesserung der Lage für die ArbeitsmigrantInnen interessiert ist oder ob nicht vorwiegend PR-Überlegungen im Hinblick auf die Fussball-WM im Vordergrund stehen. Darauf deuten auch Repressalien gegen JournalistInnen und MenschenrechtsaktivistInnen hin, die zu den Arbeitsbedingungen recherchieren. Im vergangenen Monat wurden Mitarbeitende des deutschen Fernsehsenders WDR und der BBC vorübergehend festgenommen.

Kein persönliches Commitment von Sepp Blatter

Die FIFA hat erhebliche Ressourcen in die Untersuchung von Korruptionsvorwürfen und in eine Einigung darüber investiert, zu welcher Jahreszeit in Katar 2022 gespielt werden soll. Vergleichbare Anstrengungen für die Rechte der ArbeitsmigrantInnen sind bisher ausgeblieben. Durch die Erarbeitung eines detaillierten Aktionsplans in enger Zusammenarbeit mit dem Organisationskomittee und den Hauptsponsoren hätte es die FIFA im Vorfeld der WM in der Hand, nachhaltige Reformen in Katar auf den Weg zu bringen.

Die "Sport and Rights Alliance", eine Koalition von NGOs, Gewerkschaften und Sportorganisationen hat den Kandidaten für die auf den 29. Mai angesetzten Wahlen für das FIFA-Präsidium zu ihren Plänen betreffend der Menschen- und Arbeitsrechte befragt. Lediglich einer der Kandidaten, Michael van Praag, hat als konkrete Massnahme die Verankerung einer Menschen- und Arbeitsrechtsklausel für künftige Verträge mit Austragungsländern in Aussicht gestellt. Für Sepp Blatter hat lediglich sein Büro Stellung genommen und auf die laufenden Prozesse im FIFA-Kongress verwiesen.

Der Forderungskatalog von Amnesty und der Stand der Umsetzung im Einzelnen


1. Ausreiseerlaubnis für ArbeitsmigrantInnen, keine Konfiszierung der Reisepässe:

  • Keine Fortschritte: ArbeitsmigrantInnen brauchen weiterhin eine Ausreiseerlaubnis. Arbeitgeber können eine solche weiterhin verhindern, indem sie widerrechtlich die Pässe ihrer ausländischen Angestellten einbehalten. Selbst die begrenzten Reformvorschläge der katarischen Regierung sind noch immer nicht umgesetzt.


2. Abschaffung des Sponsorengesetz / "Kafala"-System:

  • Keine Fortschritte: ArbeitsmigrantInnen benötigen weiterhin das Einverständnis der Arbeitgeber, um die Stelle zu wechseln oder Katar zu verlassen. Begrenzte Reformvorschläge der Regierung harren der Umsetzung.


3. Arbeitsrechtliche Ansprüche von Hausangestellten gewähren (Freizeit, Ferien, Überstunden, Unterbringung, Schutz vor häuslicher Gewalt etc.):

  • Keine Fortschritte: für Hausangestellte gilt das Arbeitsgesetz nach wie vor nicht. Deshalb können sie keine Ansprüche geltend machen.


4. Fristgerechte Bezahlung von ArbeitsmigrantInnen:

  • Teilweise Verbesserungen für Angestellte mit Vertrag und geregeltem Salär durch Verpflichtung der Arbeitgeber, Lohnzahlung per Banküberweisung vorzunehmen.


5. Keine Vermittlungsgebühren, keine Täuschung durch Rekrutierungsagenturen:

  • Begrenzte Verbesserungen durch bilaterale Verträge Katars mit bestimmten Herkunftsländern von ArbeitsmigrantInnen, indem die Arbeitgeber vollständig für die Vermittlungsgebühren aufkommen sollten.


6. Arbeitsbedingungen im Bausektor verbessern, Zugang zu Gesundheitsvorsorge:

  • Begrenzte Verbesserungen: zur heissesten Tageszeit ist die Arbeit auf Baustellen zwar inzwischen untersagt, in der Praxis halten sich etliche Baufirmen jedoch nicht daran.


7. Zugang zu Rechtsmitteln für Missbrauchsopfer:

  • Begrenzte Fortschritte: formelle Hürden bleiben. ArbeitsmigrantInnen, die gegen ihre Arbeitgeber klagen, sehen sich oft mit Gegenklagen konfrontiert und riskieren ihre Verhaftung und Deportation.


8. Recht zur Bildung von Gewerkschaften:

  • Keine Fortschritte: im Gegensatz zu katarischen Arbeitnehmenden ist ArbeitsmigrantInnen die Bildung von Gewerkschaften weiterhin verboten.


9. Arbeitsplatzsicherheit und Unterbringungsstandards:

  • Begrenzte Fortschritte durch gesetzliche Verbesserungen, jedoch schwierige Umsetzung durch ungenügende Anzahl ausgebildeter Arbeitsinspektoren.